Agenturpitch: Wettbewerb ohne Gewinner
Fast fünfzig Prozent der Werbeauftraggeber in der Schweiz setzen bei der Wahl eines neuen Agenturpartners auf einen Pitch. So alltäglich diese Praxis ist, so unvorteilhaft ist sie im Grunde für alle Beteiligten. Genau und umfassend betrachtet ist der Gewinn am Schluss des aufwändigen Verfahrens für alle Beteiligten eher überschaubar. Marketing- und Kommunikationsverantwortliche sind deshalb gut beraten, auf ihre eigenen Kompetenzen zu vertrauen und über kooperativere Wege ihre kreativen Partner zu wählen. Denn nur damit profitieren sie uneingeschränkt vom schöpferischen Potenzial der Kreativagenturen.
Knapp die Hälfte der neuen Werbeagenturpartner werden über einen Pitch ausgewählt. Dies ergab die jüngste Umfrage der Leading Swiss Agencies und des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands. Befragt wurden insgesamt 158 Marketing- und Kommunikationsverantwortliche von führenden Werbeauftraggebern der Schweiz. Das Resultat ist wenig überraschend und zeigt deutlich, wie es um das Verhältnis zwischen Auftraggeber und -nehmer in der Werbebranche steht. Dies ist keine Schweizer Eigenart, sondern weltweit an der Tagesordnung. Und auch wenn Agenturen und ihre Verbände seit einiger Zeit für alternative Wege zur Agenturselektion plädieren, eine Veränderung dieser Praxis ist (leider) nicht in Sicht.
Gängige Praxis in der Agenturwahl
Über eine Konkurrenzpräsentation werden heute Image-, Marken- oder Produktkampagnen, mehrjährige Mandate, aber selbst Einzelaufträge vergeben. Üblicherweise sind drei bis fünf Agenturen an einem Pitch beteiligt. Sie erhalten ein mehr oder weniger umfangreiches Briefing, klären in einer Zwischenrunde Verständnisfragen und machen sich an die Arbeit. Rund vier, manchmal sechs Wochen später haben die Kreativen ihr Werk vollendet und versuchen in einer einstudierten Präsentation den Kunden von ihren Ideen zu überzeugen. Nach einer kurzen Frageschlussrunde bedankt sich der Auftraggeber und verspricht, den Entscheid innert nützlicher Frist mitzuteilen. Am Tag X erfolgt der versprochene Anruf und zurückbleibt ein glücklicher Gewinner und zwei bis vier geknickte Verlierer.
Oft unterschätzter Aufwand beim Auftraggeber
Der Aufwand für ein Unternehmen, das über einen Pitch seinen neuen Agenturpartner finden will, wird häufig unterschätzt. Technologie- und Medienvielfalt sowie die zunehmende Komplexität der Aufgaben haben Agenturen dazu bewogen, sich auf Teilgebiete zu spezialisieren. Entsprechend herausfordernd ist bereits die Selektion der Kreativen, die zum Wettbewerb eingeladen werden sollen. Danach muss das Briefing geschrieben werden. Da bis auf den Etathalter die eingeladenen Agenturen nicht mit dem Unternehmen vertraut sind, muss nicht nur die Aufgabe detailliert, sondern auch das Unternehmen und seine Ziele umfassend beschrieben werden. Das alles ist Initialaufwand. Erst danach erfolgt der eigentliche Pitch. Abhängig von der Anzahl teilnehmenden Agenturen, Wettbewerbsrunden und Abstimmungsdiskussionen werden intern wertvolle Stunden aufgewendet, welche den meist befrachteten Alltag zusätzlich belasten. Eine Ausschreibung bedeutet also für den Auftraggeber weit mehr als bloss bei einigen unterhaltsamen Präsentationen dabeizusein.
Ungedeckte Kosten bei der Agentur
Für die Agenturen bedeutet eine Teilnahme an einem Pitch, kurzfristig ein geeignetes Team mit den notwendigen Kapazitäten freizustellen. Ohne die laufenden Aufträge der anderen Kunden zu vernachlässigen, lässt sich dies – hoffentlich für die Agentur – meist nur durch Mehrarbeit bewerkstelligen. Je nach Komplexität der Aufgabe summieren sich die Stunden bis zum letzten Präsentationstermin zu einem bedeutsamen Aufwand. Kosten von zwanzig bis fünfzig Tausend sind die Regel, mehr keine Seltenheit. Auslagen, die betriebswirtschaftlich gesehen, mit den Erträgen aus den bestehenden Kundenbeziehungen finanziert werden müssen.
Acht von zehn Gewinnerkonzepten werden nie in der präsentierten Form umgesetzt.
Beidseitig kein wirklicher Gewinn
So viel zu den Aufwendungen auf beiden Seiten. Darüber hinaus zeigt die Erfahrung, dass acht von zehn Gewinnerkonzepten nie in der präsentierten Form umgesetzt werden. Die im Pitch geleistete Arbeit bringt demnach weder für den Kunden noch die Agentur eine Entlastung bei der Realisation. Leading Swiss Agencies, der Verband der führenden Kommunikationsagenturen der Schweiz, hat Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb verfasst. Neben Transparenz in Bezug auf Entscheidungsprozess und Teilnehmerfeld ist auch ein Minimum von 15'000 Franken als Ausfallhonorar empfohlen. Ein nicht unerheblicher Betrag, der angesichts der effektiven Aufwände bei der Agentur die Kosten nur ungenügend deckt und in der heutigen Praxis kaum je angeboten wird. Ähnliches gilt für die vom LSA empfohlene Transparenz. Angesichts der beachtlichen zeitlichen und finanziellen Aufwände für Auftraggeber und -nehmer gibt es mit der gängigen Praxis im Grunde genommen keine eindeutigen Gewinner.
Rezept für gemeinsamen Erfolg
Wie erfolgreich Unternehmen sein können, die gemeinsam mit anderen etwas Neues schaffen, zeigen jüngste Beispiele aus der Wirtschaft. Ihr Erfolg beruht auf gegenseitiger Wertschätzung, geteilten Zielen und der festen Überzeugung, nur mit dem Know-how des Partners tatsächlich wirkungsvoll sein zu können. In die Marketing- und Werbewelt übertragen würde dies bedeuten, von der Aussensicht der Agentur zu profitieren und ihr gesamtes kreatives Potenzial nutzen zu können. Im idealen Fall stellen Auftraggeber und -nehmer ein Team zusammen, das sich der zu lösenden Aufgabe annimmt. Je grösser die Diversität dieser Gruppe ist, umso vielseitiger sind die Lösungen, die sie erarbeitet. Noch aussichtsreicher ist es, wenn das Team gemeinsam das Problem definiert und nicht auf eine vorgespurte Fährte geschickt wird.
Yellow sieht ihre Aufgabe darin, ein unternehmerisches Ziel zu erreichen und nicht eine Massnahme umzusetzen.
Erster Schritt zum Kennenlernen
Doch wie lässt sich der richtige Kreativpartner für eine solche Zusammenarbeit finden? Nicht über einen Pitch. Marketing- und Kommunikationsverantwortliche in den Unternehmen sind kompetente und erfahrende Profis. Aufgrund ihrer Kompetenz ist es ihnen möglich, die Qualifikation einer Agentur aufgrund von recherchierbaren Informationen einzuschätzen. Um sicherzugehen, dass es auch auf menschlicher Ebene stimmt, dient ein informelles Treffen an einem x-beliebigen Ort. In einem solchen Gespräch lässt sich zudem prüfen, ob die wohlformulierten Eigenschaften der Agentur tatsächlich auch gelebt und glaubhaft vertreten werden.
Sicherheit durch aktive Zusammenarbeit
Wer seinen Einschätzungen aus dem Chemistry Meeting nicht vertraut, kann die Agentur zu einem Workshop einladen. Sinnvoll ist, dazu das Kunde-Agentur-Team zusammenzustellen, welches mit der Lösung der Aufgabe beschäftigt sein wird. In Gruppenarbeiten und Diskussionen lässt sich sehr schnell und verlässlich erkennen, wie gut die Crew harmoniert.
Fallschirm ohne Verlierer
Fortschrittliche und partnerschaftlich denkende Agenturen bieten neben allen diesen Instrumenten einen zusätzlichen Notschirm. Aufgrund der definierten Meilensteine hat der Auftraggeber an gewissen Punkten die Möglichkeit aus dem Prozess auszusteigen. Dieses Opt-out beruht darauf, dass die erreichten Zwischenresultate dem Kunden auf dem Weg zur Lösung seines Problems wertvolle Dienste leisten und somit der Agentur vergütet werden. Entschliessen sich die Partner zur Auflösung ihrer Zusammenarbeit, weisen beide eine ausgeglichene Bilanz aus.
Yellow setzt ganz auf Teams
Unternehmen, die sich von Yellow in einem Projekt begleiten lassen, sollen am Schluss in mindestens einem Punkt unabhängiger sein, als zu Beginn der Zusammenarbeit. So will es der Zweck der Agentur. Aus diesem Grund sucht Yellow immer die Kooperation. Ihre Aufgabe besteht darin, ein unternehmerisches Ziel zu erreichen und nicht eine Massnahme umzusetzen. Die Teamorganisation von Yellow stellt zudem sicher, dass stets unterschiedlich denkende Köpfe sich einer Thematik annehmen. Die Lösungen sind deshalb unabhängig von technischen und ästhetischen Vorlieben, sondern einzig auf die Wirksamkeit für den Auftraggeber ausgerichtet.
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