29. Mai 2020

Ein Purpose macht KMU widerstandsfähiger

Immer mehr grosse, internationale Unternehmen richten ihre Aktivitäten an einem Purpose aus. Die Gründe dafür sind vielfältig und die positive Wirkung in vielen Studien nachgewiesen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen ist die zweckorientierte Führung noch wenig verbreitet. Das ist bedauerlich. Denn der Weg vom angebotsgesteuerten hin zum zweckdienlichen Unternehmen ist für sie dank der überschaubareren Grösse um einiges kürzer. Welche Vorteile diese Art der Unternehmensführung bringt und wie der Weg dazu aussieht, erläutert dieses Interview mit dem Strategen von Yellow.

Hannes Müller ist Strategiecoach bei Yellow und unterstützt Unternehmen dabei, erfolgreich zu werden oder es zu bleiben. Die Basis dazu bildet in den meisten Fällen ein übergeordneter Zweck. Diese Daseinsberechtigung dient als Leitplanke für die Entwicklung, die Differenzierung, die Mitarbeiterattraktivität und nicht zuletzt für die Widerstandsfähigkeit eines Unternehmens. Der sogenannte Purpose gleicht der Seele einer Organisation und die in ihr zusammengefassten Werte prägen die Unternehmenskultur. Das bedeutet, Kunden, die gemeinsam mit Yellow ihren Purpose entwickeln, leiten damit eine Transformation ihrer gesamten Organisation ein. Denn Purpose ist nicht Marketing, sondern Identität.

Was versteht man unter Purpose genau?

Der Purpose definiert einen übergeordneten Nutzen, den ein Unternehmen mit seinen Aktivitäten stiftet. Übergeordnet meint, mit seinem Tun und Handeln zu einer gemeinsamen und langfristigen Wertschöpfung bei allen seinen Interessengruppen zu führen. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger, ein ernsthaft gelebter Purpose ist immer im Interesse der Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und der Gesellschaft als Ganzes.

Woher stammt der Trend zum Purpose?

Von einem Trend würde ich nicht mehr sprechen. Der Purpose ist längst in breiten Wirtschaftskreisen anerkannt und viele namhafte Unternehmen richten ihre Aktivitäten danach aus. Die Faktoren, die zu diesem Wertebewusstsein geführt haben, sind vielschichtig. Einen wesentlichen Anteil daran dürfte Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums Davos haben. Er hat bereits Anfang der 1970er-Jahren das «Manifest von Davos» veröffentlicht, in dem die Verantwortung eines Unternehmens gegenüber allen Interessengruppen definiert war. Jüngeren Datums sind das 2014 vom Ökonomiepsychologen Aaron Hurst veröffentlichte Buch The Purpose Economy, und der TEDx-Auftritt von Unternehmensberater und Autor Simon Sinek. Seine einfache Formel «Start with why» hat weltweit grosses Aufsehen erregt und in breiten Teilen der Wirtschaft Fragezeichen ausgelöst.

Dass nun auch Druck von aussen auf die Unternehmen entsteht, dafür dürften Millenials verantwortlich sein. Wie keiner anderen Generation vor ihr, ist es der Generation Y oder Me – wie sie auch bezeichnet wird – bewusst, dass das Leben einmalig ist. Deshalb hinterfragen sie sehr häufig den Status Quo und stellen die Frage nach dem Warum. Die Millenials prägen immer mehr die Ökonomie, sei es als Arbeitnehmer, Konsument, Unternehmer oder auch als Wissenschaftler. Dadurch erhält die Frage nach dem Sinn einer Handlung ein immer stärkeres Gewicht.

Weshalb ist Gewinn erzielen plötzlich nicht mehr der Zweck eines Unternehmens?

Zum einen sind es sicherlich die oben aufgeführten Gründe. Der Zustand unseres Planeten und die mahnenden Worte der Vordenker sind wohl unterdessen bei allen Anhängern der maximalen Gewinnsteigerung angekommen. In der Sinnökonomie – wie das Zukunftsinstitut sie nennt – bekommt der Gewinn eine neue Bedeutung. Er stellt das Resultat einer unternehmerisch gut gelösten Aufgabe dar und ist somit Mittel zum Zweck, jedoch nie Selbstzweck. Unterdessen belegen verschiedene Studien, dass zweckorientierte Unternehmen erfolgreicher sind, wie rein gewinnorientierte. Im Global Leadership Forecast 2018 zum Beispiel wird zweckorientierten Firmen ein um 42 Prozent höhere finanzielle Performance attestiert.

Ein anderes Beispiel liefert die Organisationsentwicklung. Um Mitarbeitenden ein hohes Mass an Eigenverantwortung zu übertragen, bietet sich die Zweckorientierung als sehr wirkungsvolle und einfache Zauberformel an. Richten sie ihre Handlungen nach dem Zweck des Unternehmens aus, wird sich keine Entscheidung als grundsätzlich falsch herausstellen.

Worin liegt der Unterschied zwischen Purpose und Vision?

«Wir sind bis 2025 die Nummer 1 der Schweiz in XY». So oder ähnlich hören sich die Visionen vieler Unternehmen an. Sie sind aus der Eigensicht formuliert und definieren ein Ziel für die Organisation. Der Purpose ändert die Perspektive und stellt den Nutzen für alle Interessengruppen oder sogar für die ganze Gesellschaft und die Umwelt ins Zentrum. Erfüllt ein Unternehmen seine Daseinsberechtigung sehr überzeugend, ist die Chance gross, dass sie ihre quantitativ formulierte Vision erreicht. Der Purpose ist also der Zweck, die Vision ein mögliches Resultat – wenn man seinen Zweck erfolgreich umsetzen kann.

Wie unterstützt der Purpose im operativen Geschäft?

Der Purpose dient als eine solide und sehr zuverlässige Leitplanke. Egal in welchem Bereich ein Entscheid gefällt werden muss: Ein Blick auf den definierten Unternehmenszweck genügt, um Gewissheit über richtig oder falsch zu bekommen. Dazu ist es unabdingbar, dass ein Purpose in der Kultur des Unternehmens fest verankert ist. Dass alle Mitarbeitenden gelernt, wie sie ihren Wirkungs- und Verantwortungsbereich zweckorientiert Handeln.

Woran erkennt ein Unternehmen, dass der Purpose fehlt?

Analysten der grossen vier Beratungsunternehmen antworten auf diese Fragen mit Finanzzahlen. So belegen verschiedene Erhebungen, dass zweckorientierte Unternehmen im Branchenvergleich höhere Margen erzielen, weniger Geld ausgeben für Personalrekrutierung und sich durch ein höheres Innovationsniveau auszeichnen. Wer diese Zahlen nicht kennt, für den ist Simon Sinek's Golden Circle ein gutes Instrument. Sein Kreis besteht aus drei Schichten. Die äussere definiert das Was, also das Angebot des Unternehmens. Darüber kann jeder CEO ausführlich und in allen Einzelheiten informieren. Nach dem Wie befragt, welches die mittlere Schicht des goldenen Kreises bildet, geraten schon viele Unternehmensverantwortliche ins Stocken. Sehr ruhig wird es, wenn der übergeordnete Zweck der Organisation erläutert werden soll. Die Chance auf eine Antwort wird bei grossen, internationalen Unternehmen immer höher. Apple, Microsoft, SAP aber auch Procter and Gamble oder Patagonia haben ein sinnstiftendes Statement, das dem Unternehmen und allen seinen Interessengruppen einen verlässlichen Anker zur Identität gibt. Bei kleineren und mittleren Organisationen sind solche übergeordnete Unternehmenszwecke noch wenig verbreitet.

Wie findet ein Unternehmen seinen Purpose?

Erinnern wir uns daran, dass der Unternehmenszweck immer die Interessen von Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und der Gesellschaft als Ganzes respektieren soll. Dementsprechend ist die grosse Frage nach dem Warum aus allen diesen Blickwinkeln zu betrachten.

  • Was ist der Kern des Unternehmens?
  • Wie definieren unsere Kunden diesen Kern?
  • In welcher Beziehung stehen wir zu unserem Umfeld?
  • Was geschieht in der Welt, das uns unentbehrlich macht?
  • Wo können wir einen einzigartigen Beitrag leisten, der in Verbindung mit unserem Unternehmen glaubhaft, nachvollziehbar und verständlich ist?

Diese Fragen münden zum Schluss in einer kurzen, inspirierenden Aussage. Wie zum Beispiel: «Patagonia is in business to save our home planet.»

Wie beeinflusst der Purpose das Marketing?

Die Frage ist gut gestellt. Denn sehr häufig wird der Purpose als Marketingwerkzeug verstanden. Und das ist grundfalsch. Der Purpose widerspiegelt die Daseinsberechtigung eines Unternehmens und beeinflusst damit jeden Bereich einer Organisation. Auf das Marketing bezogen gibt der Purpose die Richtung sämtlicher Aktivitäten vor. Er definiert, in welchem Kontext Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden und auf welche Weise mit den Interessengruppen interagiert wird. Somit setzt der Unternehmenszweck und die damit in Verbindung stehenden Werte auch die Richtlinien für die Kommunikation.

Welche Auswirkung hat der Purpose auf Kunden und Mitarbeitende?

Der Purpose dient Kunden zur Orientierung. Ergibt der Zweck eines Unternehmens für sie einen Sinn, bewerten sie seine Produkte oder Dienstleistungen positiv, was die Grundvoraussetzung für einen Kauf oder eine Nutzung darstellt. Diese Bewertung nehmen auch die Mitarbeitenden vor. Bei ihnen erfüllt der Purpose zusätzlich die Funktion eines Navigators. Müssen Lösungen gesucht oder Beschlüsse gefasst werden, gibt ihnen der Purpose die Richtung vor.

Bleiben Sie als Marke, Arbeitgeber und als Firma ein attraktiver Partner für alle Ihre Stakeholder. Sprechen Sie mit Yellow über den Prozess zur Entwicklung eines Purpose für Ihr Unternehmen.